Ich befinde mich sehr tief in der Müllhalde, obwohl es gar nicht so aussieht.
Es passiert rund um mich herum so viel, was ich nicht im Gespür habe, dass ich gar nicht mehr weiss, ob es mir gut geht oder nicht.
Bewusst leben habe ich mir immer groß auf die Fahnen geschrieben, mich selbst gut kennen. Doch was ist davon bloß übrig geblieben?
Vielleicht geht es mir gut, sogar bestens. Die Momente, an denen ich zweifle oder etwa deprimiert oder gar ängstlich bin sind so wenige geworden. Ich fühle mich stark. Ich habe Erfolg. Ich habe einen prächtigen Sohn und ich habe so viel. Es funktioniert momentan all das, was ich anpacke.
Ich falle am Abend tot ins Bett weil mein Tag so voll mit Aktivitäten ist, die ich alle selbst gewählt habe.
Und doch.... weiss ich ganz einfach nicht, ob das nicht alles eine große Lüge ist. Und es gibt niemanden um mich herum, der mir das sagen könnte. Nur ich selbst.
Nein, ich fühl mich nicht allein, das soll keineswegs ein Melancholieanfall sein. Nein, ich fühle mich nur leer. Ich fühle mich ständig gefordert, physisch. Ich funktioniere ständig. Ich lerne täglich, besser Theater zu spielen.
Und doch frage ich mich, ob das nicht alles eine große Seifenblase ist, die sofort zerplatzen kann.
Und möglicherweise sitz ich selbst eh drunter und federe den Fall ab... aber.... ich sehe es momentan einfach nicht. Ich erkenne es nicht, weil ich entweder voll beschäftigt bin und irgendwelchen Pseudonotwendigkeiten nachgehe, oder zuerschöpft, bzw. betrunken, etc. bin, um etwas mit Sicherheit sagen zu können.
Intellektuell bin ich sicher unterfordert. Ich habe Angst zu verblöden.
War es wirklich das, was ich wollte?
Alles rennt gut... und von einem apathischen Standpunkt aus kann ich sogar mehr als zufrieden sein. Doch wenn ich dann Pink Floyd höre geht mir das Herz auf.... "Did you exchange to walk on part in the war...." oder um genauer zu sein:
"And did they get you to trade your heroes for ghosts?
Hot ashes for trees?
Hot air for a cool breeze?
Cold comfort for change?
And did you exchange a walk on part in the war for a lead role in a cage?"
Vielleicht ist es nur eine saftige punktuelle Winterdepre, weil es momentan wirklich viel ruhiger geworden ist und ich viel mehr Zeit habe, um auf Dinge draufzukommen.
Ich habe Zeit, mich nach Dingen zu sehnen und erstmals seit einem Jahr wieder reflexive Distanz aufzunehmen.
Wer hoch fliegt fällt tief oder so ähnlich... na also.... Wenn man weit oben ist, dann geht's gerne einmal auch stellenweise bergab... soweit die billigen Weisheiten.
Eines ist fix: ich muss mehr schreiben, mehr Gitarre spielen, mehr träumen, mehr leben, mehr sehen und mehr spinnen.
Mehr schreiben und Gitarrespielen ist einmal ein guter Anfang für heute. ;-)
Leicht Jung frisch.
AlVince - 9. Feb, 14:11
In der Nacht von heute auf morgen vor 73 Jahren haben organisierte paramilitärische Gruppen unter großer Mithilfe der Zivilbevölkerung einen Pogrom verursacht und betrieben, der nicht nur erreicht hat, dass wichtige Teile des Wiener Kultur- und Geisteslebens für immer (für Wien) verloren gingen, sondern, dass viele unserer Nachbarn gedemütigt, vertrieben und umgebracht wurden.
Der 9.11.1938 war eine der schwärzesten Stunden in der Geschichte der mitteleuropäischen Zivilisation, und dass ein solcher Moment keineswegs ein einzelnes Phänomen der Vergangenheit sind kann man tagtäglich miterleben, wenn man hinsieht.
Eine Kerze für die jüdischen Nachbarn, die die Opfer dieser Nacht waren. Und Nachdenken darüber, dass es genau diese politikverdrossenen wirtschaftskrisengeschüttelten zentraleuropäischen pseudoaufgeklärten Kleinbürger und Hackler waren, die aus Angst davor, dass sie ihre ohnehin prekäre soziale Situation verlieren könnten, derartiges möglich gemacht haben.
AlVince - 10. Nov, 22:00
In allen Belangen entsteht Neues!
Die Wiener Gourmet Fraktion lebt!
Im Netz sowohl auf ihrer Homepage:
www.wienergourmetfraktion.at
als auch auf Facebook.
Und ein längerer Bericht zu meinem Leben folgt bald.
Stürmische Zeiten, in denen es mich von einem Ende zum anderen weht. Tage sollten manchmal 36 Stunden haben und die persönliche Kraft und Kreativität und Toleranz ebenfalls.
Leicht Jung Frisch
AlVince - 24. Mär, 13:01
Zeit für einen neuen Eintrag, einen Monat nach dem Umzug in die Karolinengasse.
Wie schauts aus im Leben?
Abgesehen davon, dass ich sehr verkühlt bin und allerlei Dinge in alle Richtungen versuche und dadurch ziemlich planlos bin, schauts eh nicht so schlecht aus.
Ich weiss es eigentlich nicht, ob ich viel tue, oder gar nichts. Ich habe kein Gefühl dafür. Wenn ich auf mein Bankkonto schaue, sehe ich, dass ich zwar etwas, aber lange nicht genug tue.
Wenns danach geht, Ideen zu haben, Sprossen aus Samen zu kultivieren und langsam aber doch soziale Kontakte zu spinnen, dann bin ich recht fleissig.
Aber zu wenig ist es trotzdem.
Aber wahrscheinlich ist das der November, zumindest zum Teil.
Ich hab in mir drinnen einen Motor, einen Teil, ein etwas, das mich zwar sehr gerne hat und auch noch recht gut ernährt wirkt, aber dieses etwas meldet sich schon sehr oft in letzter Zeit mit Liebesreklamationen. “Aha, Du nennst Dich also größenwahnsinnig? Warum genau? Ist das alles nur ein romantisches Konstrukt und Du läufst genau auf die gleiche Mittelmäßigkeit wie die meisten anderen Mittelmäßigen zu? Wolltest Du nicht mehr? Mehr von Dir selber? Welt verändern? Du bist lächerlich! Du schaffst es nicht einmal 3 kilo abzunehmen!”
Und manchmal funkelts dann auf, die Vision, die Hoffnung, die süße Zuversicht. Ich weiss ja, dass ichs kann. Das Selbstbewusstsein ist drinnen eh tief verhaftet und seit ich hier in Wien einen Alltag habe sind viele der Unsicherheiten, die bei meinen Sommerbesuchen zwar keine Rolle gespielt haben, deren Existenz ich mir jedoch bewusst war, ganz von alleine gegangen.
Es ist gut, einen Alltag mit Caro (sowieso), Vera, Roberto, Mariano etc. zu haben.Das Leben in der Karolinengasse könnte besser kaum sein. Jetzt muss das nur auch noch was ausspucken, sodass ich mir im das leidige Kohlethema keine Sorgen machen muss.
Warum das so wichtig ist? Weil es mich selbst bestätigen würde, obwohl es mir vollkommen egal ist. Weil es mir die Freiheit geben würde, meinen Scheiss weiterhin nach meinem Schädl durchzusetzen und mich in keine Abhängigkeitsverhältnisse begeben müsste. Bisher habe ich das so geregelt, mit mehr oder minder gutem Erfolg (für mich selbst mit sehr sehr gutem Erfolg), dass ich einfach abgehauen bin. Keine Flucht aus Angst... gar nicht. Einfach aus demselben Grund, warum ich z.B. keine Kohlsprossen esse, obwohls nicht ungesund wäre: Wenn mir etwas nicht behagt, warum gibt es dann diesen heroismus, dass mans trotzdem durchziehen muss? Warum gilt abhauen pejorativ als Flucht? Ganz egal... einer der “Erfolge” ist, dass mir das eben ganz egal geworden ist.
Aber nun ist es einmal so, dass ich Vater werde und dass ich den Weg gewählt habe, dass mir das nicht wurscht ist.
Natürlich könnte ich sagen: egal, wir werden immer überleben, dank unseres 1-Welt-Systems und was kommt das kommt... Wir werden schon reagieren auf die Herausforderungen, die uns das Leben stellt.
Doch nein, nein, nein. Das ist genau zu wenig: Jetzt ist es an der Zeit, das Leben selbst zu fordern. Jetzt ist es an der Zeit die Ellbogen auszufahren und zu sagen: Jetzt gestalte ich. Denn jetzt bekomme ich eine Tochter oder einen Sohn und für dieses Wesen möchte ich einen Platz in dieser Welt gestalten. Nicht einen Käfig, oder eine Glasglocke, sondern eben eine Weltsicht. Denn eine Weltsicht wird dieses kleine Wesen ohnehin bekommen, sofern es mit Sinnesorganen auf die Welt kommt. Und dass ich diese auf prägende Weise mitgestalten werde, selbst wenn ich morgen sterbe ist seit Freud spätestens jedem klar.
Ich bin Vater, das heisst, jetzt muss ich für mich selber genau das tun, was mich bisher glücklich gemacht hat, was ich bisher für richtig gehalten habe, nur eben mit dem wichtigen Zusatz, dass mir jemand dabei zusieht, der das alles wie ein Schwamm aufnehmen wird (wasauchimmer dieser jemand dann damit machen wird). Und dieser jemand sind nicht meine Eltern, meine Lehrer, der Staat, das Leben. Es ist nicht irgendeine Entität, der ich aus einem sozialen Gefüge heraus irgendwie verpflichtet bin, aus einer Vertragssituation heraus, oder aus Liebe heraus. Nein... es sind die naiven und puren Augen eines Kindes, für die die Welt dann so aussieht, wie ich sie präsentiere oder eben genau nicht präsentiere.
Wenn ich eine Welt präsentiere, wo am Ende der Prinz die Prinzessin heiratet und sie glücklich bis ans Ende ihres Lebens leben ist, befriedige ich wahrscheinlich nur meine eigene Begierde danach, mein Kind glücklich zu sehen und werde wissend und verständnisvoll mit den Achseln zucken, wenn dieses Wesen das erste Mal von einem geliebten Menschen versetzt wird. Prinzen heiraten eben keine Prinzessinnen. Und in den seltensten Fällen leben die dann bis zu ihrem Lebensende glücklich und zufrieden. Und wie erkläre ich ihr das Klischee, dass die hübschen Prinzen und Prinzessinnen meist die dümmsten und gefährlichsten Menschen sind, selbst wenn sie nett und bunt in den Geschichtsbüchern oder Journalen präsentiert werden? Und leider ist es außerdem so, dass die tatsächlichen und indirekten Prinzessinnen diejenigen sind, auf dem man im echten Leben am wenigsten zählen will und kann. Also wozu der Schmus? Dennoch ist er wichtig, weil er Ästhetik und Harmonie vermittelt, wie Serenade von Tosselli oder irgendwas von Bach oder Mozart.
Andererseits wäre es auch verantwortungslos, dieser kleinen Person zum Einschlafen die Berichterstattung vom Afganistan-Krieg vorzulesen, oder die Leserbriefe aus der Kronenzeitung, um dann am Ende einen väterlichen Kuss zu geben und zu sagen, “Aber hier bist Du sicher” und selber genau zu wissen, woher mein Gewand kommt, woher das Benzin kommt, mit dem ich das Auto tanke, wenn wir die Landschaft verstinken, um irgendwohin in den Urlaub zu fahren, dass jeder 4. auf unseren sicheren Wiener Strassen schon derartig wohlstandsübersättigt ist, dass er aus paranioder Begeisterung sagt: “JA, ich wähle FPÖ, weil der einmal sich traut auf unsere Missstände hinzuzeigen. Endlich wer, der sagt, wie schlecht es uns geht unter diesen Regierungsbonzen. Und überhaupt die Ausländer...” Wie kann ich meinem Kind das Märchen von der Prinzessin und die Problematik der Welt erklären, und sie gleichzeitig drauf aufmerksam machen, dass in unserer heilsten Welt jeder 4. zumindest ein Vollidiot ist, ohne einen frustrierten Menschen zu schaffen?
Wie kann ich einen guten Menschen schaffen in dem Bewusstsein, dass wir nicht die Guten in dieser Geschichte sind, sondern eben die Sieger.
Aber das Schöne und Großartige daran ist, dass ich ja zum Glück niemanden schaffen muss. Das habe ich schon getan und damit fertigt. Samen abgegeben, kurz Gott gespielt, fertig. Der Rest ist einfach so, dass sich dieses Wesen selbst schaffen wird und mir hoffentlich die große Ehre zuteil werden wird, dass ich dabei zusehen und mitmachen darf. Zum Glück bin ich nicht Gott, sondern nur der Vota.
Gutso, und jetzt einmal rein in den Tag.
AlVince - 25. Nov, 11:21
Wieder zurück in Wien. Gestern um etwa 3 Uhr in der Nacht sind wir mit dem Auto in Wien angekommen, nachdem ich ärgerlicherweise in Linz, glaub ich, in einer 100er Zone mit etwa 130 geblitzt worden bin (ich habe erst gemerkt, dass es eine hunderterzone war, als ich den Blitz im Rückspiegel gesehen habe). Egal, das wichtige war vorher.
Frankfurt ist/war ein Erlebnis. Nicht so sehr die Stadt, denn von ihr haben wir kaum etwas gesehen, sondern die Buchmesse. Die Menge an Menschen, die Menge an Ausstellern, die Größe der Hallen und der Geruch nach frisch bedrucktem Papier sind einfach überwältigend.
Und auch wenn man sich klein und unbedeutend fühlt gibt es eine gewisse Dankbarkeit, dort einmal dabeigewesen zu sein. Nicht aus einem übertriebenen Respektsgefühl heraus, denn dafür bin ich zu wenig Leseratte, sondern weil man selbst als kleiner Herausgeber von vielen bemerkt wird und auf viel Interesse stößt.
Das war also die Frankfurter Buchmesse 2010, mit Ehrengast Argentinien. Der argentinische Teil war eher nüchtern gehalten, um es euphemistisch zu sagen... oder vielleicht hat es einfach danach ausgesehen, als ob sich irgendjemand die Hälfte des Budgets eingesteckt hat und für den Rest ein paar Fahnen von Maradona, Borges, Cortazar, Che Guevara und Cristina Kirchner aufgehängt hat. Und dieser Gedanke stammt nicht einmal von mir, sondern von Argentiniern, die dort waren, und dies v.a. über die diesbezügliche Ausstellung im jüdischen Museum von Berlin gemeint haben. However, dasselbe gilt, denke ich für die Buchmesse. Im Pavillon von Argentinien war insgesamt ein größeres Buchregal, und der Rest war Geschichtsdarstellung (immer auf ein semi-subtil positives Aussteigen des Peronismus und der Kirchners orientiert) und die Präsentation von Schriftstellern, die ohnehin schon im Olymp der Weltliteratur sind (Sabato, Borges, Cortazar, etc). Bezeichnend war auch, dass bei der Präsentation der Feierlichkeiten zum Bicentenario v.a. Fotos von Christina ausgestellt waren... doch das nur am Rande. Urteile, wie dass die reichehaltige Clique an "jüngeren" argentinischen Autoren zu kurz gekommen ist (Eloy Maritnez, Puig, etcetc...), überlasse ich denjenigen, die sich in der argentinischen Literatur besser auskennen, bzw. auch mehr Schriftsteller kennen. Zumindest hätte ich einem derjenigen den Vorrang gegenüber Maradona gegeben ;-).
Doch zurück zum jüdischen Museum. Die Ausstellung bezüglich Argentinien war sowohl in Berlin als aus in Frankfurt von unserem alten Bekannten Elio Kapzuc organisiert. Fredi und Patricia meinten, dass sie sich bei der Berliner Ausstellung genieren mussten. Die Frankfurter Ausstellung war zumindest bunt und kreativ. Ein "Unwissender" könnte sogar begeistert sein, weil teilweise recht gute Ideen von Künstlern verwirklicht worden sind, wie z.B. die Wand mit Portraits: diese gezeichneten 600 Portraits wurden jedes in einem 10-Minuten Video eine Sekunde lang gezeigt. Jedes einzelne Portrait stand für 10.000 im Holocaust ermordete Juden. Wenn man jedem ein eigenes Portrait widmen würde, und dieses in dem Video eine Sekunde lang zeigen würde, bräuchte man nicht 10 Minuten, sondern knapp 70 Tage...
Wie dem auch sei. Die Ausstellung war bunt und patriotisch (argentinsch-jüdisch). Auffallend war, dass bei der Präsentation prominenter argentinischer Juden kein einziger Linker vorkam (wie etwa Alfredo Bauer, oder Leon Rozitchner), aber well... das ist eben das, was ich meine: Für einen, der das Thema nicht kennt, wird eine homogene jüdische Gemeinde gezeigt. Für jemanden, ders weiß sieht man, dass hier eine Ausstellung eines bürgerlichen Vertreters der jüdischen Lobby gemacht wurde, die den tendenziell rechten Teil der AMIA vertritt. Aber vielleicht geht das zu sehr ins Detail...
Unsere Präsentation im jüdischen Museum, d.h. die von Eva Eisenstädt und unsere, war sehr gut. Trotz sehr großer Konkurrenz war der Saal voll (etwa 50 Menschen) und es kam zu einer interessanten Podiumsdiskussion zwischen Eva, Fredi und mir, geleitet von Michael Baiculescu.
Michael meinte beim nach-hause-gehen, nachdem er uns alle in eine argentinische Parrilla eingeladen hatte, dass sich die Weisheit bewahrheitet hatte: "Je besser eine Veranstaltung, desto weniger Bücher verkauft man".
Klar, die Menschen fühlen sich informiert und sehen keine Notwendigkeit mehr, ein Buch zu dem Thema zu lesen. Bitter ;-).
Aus jeden Fall war die Begegnung mit den Leuten vom Mandelbaum Verlag (Michael, Elisabeth, Kathrin und indirekt natürlich Eva) sehr positiv. Dank Kathrin konnten wir auch privat in Hausen um 50,- statt 150,- Euro bei Sylvia und Steffi schlafen.
Eine Begegnung muss ich auch noch herrausstreichen: Osvaldo Bayer.
Osvaldo Bayer war mit seinen weit über 80 Jahren wahrscheinlich die prägendste Persönlichkeit, die mir in dem Zusammenhang begegnet ist. Nicht nur, dass ich schon in meinen historischen Recherchen zu einem großen Bewunderer seiner Arbeiten geworden bin, war es außerdem so, dass er gestern seinen neuen Film "Rebelde Amanecer" präsentiert hat, einen Film über die historische und aktuelle Ausbeutung der Urbevölkerung in Argentinien.
Osvaldos Familie lebt seit der Diktatur in Deutschland, doch er pendelt nach wie vor, weil er auf unermüdliche Weise für historische Aufklärung (in einem linken Sinn) kämpft und unterstützt von namhaften Autoren, wie etwa Felipe Pigna, die offiziellen Versionen der argentinischen Geschichte dekonstruiert.
Ich konnte ihm ein Buch schenken und Grüße von Alfredo Bauer ausrichten, einem seiner alten Mitstreiter.
Die Doku Rebelde Amanecer hat mich stark beeindruckt.
Was sonst bleibt sind die Erinnerungen an unendliche Gänge voller Bücher, Reinhold Messner, schlechtes und teures Fast Food Essen, überhaupt eine übertrieben überteuerte Stadt, tolle Eindrücke von den Verlagen und freundschaftliche Bilder unserer Kollegen.
Wie gehts jetzt weiter? Das wird sich herausstellen. Ich muss aber wieder einmal ein Buch schreiben, damit ich noch einmal einen Grund habe, nach Frankfurt zu fahren, so viel ist sicher ;-).
Leicht Jung Frisch
AlVince - 9. Okt, 15:24
Letzten Donnerstag war es soweit. Das Buch "VERLORENE NACHBARSCHAFT. Jüdische Emigration von der Donau an den Rio de la Plata" ist nicht nur aus dem Druck gekommen, nein, es wurde auch am selben Abend im jüdischen Museum in der Dorotheergasse präsentiert. Keiner von uns wusste so recht, was da auf uns zukommt, doch es wurde geahnt, dass viele Leute kommen würden.
Und es war tatsächlich so. Die Arbeit von über einem Jahr und die Phantasie, die in diesen 360 Seiten langen Sammelband gesteckt wurden machten sich bezahlt. Es geht um ein ernstes Thema, das auf sachliche Weise Diskurse und Metadiskurse über Tod und Überleben umfasst, welches aber durch zahlreiche Illustrationen eine Lebendigkeit und Buntheit erhält, die den Pluralismus in Methoden und Phasetten des Projektes deutlich machen. Eine essenzielle Qualität unseres Projektes war das Beharren auf eine Vielschichtigkeit ohne dabei die Seriösität zu verlieren. Von Nachbarn aus der Zivilgesellschaft initiiert musste das Projekt Verlorene Nachbarschaft auch dementsprechend von und für die Zivilgesellschaft gemacht sein. Und denselben Anspruch erhoben auch Buch und Präsentation.
Im Buch entsteht ein erfrischendes Gleichgewicht aus Zeitzeugenberichten über Flucht, Ankommen und Leben in Argentinien, sowie Erfahrungsberichten über Projektarbeit, wissenschaftlichen Texten zum Thema der Shoa und der Restitution, literarischen Beiträgen und einer großen Menge an Photokollagen die ein Bild vom Projekt und seinen Teilnehmern geben.
Bei der Präsentation las Erich Hackl nach Begrüßungen von Neo-Direktorin Danielle Spera und der Gesandten der argentinischen Botschaft in Wien "Mili" Donna Raballo seinen berührenden Textbeitrag über austro-argentinische Familienschicksale vor, die Opfer des NS-Terrors waren und später unter der Verfolgung durch die letzte und gleichzeitig wahrscheinlich grausamste Militärdiktatur in Argentinien leiden mussten. Ein Videozusammenschnitt aus einigen Interviews mit österreichischen Zeitzeugen in Argentinien gab ein kurzes Panorama über die verschiedenen Sichtweisen zu argentinischen und österreichischen Themen. Der argentinische Psychologe und Autor Alfredo Schwarcz sprach danach über seine Erfahrungen in Buenos Aires. Abgeschlossen wurde die Präsentation durch literarische und musikalische Beiträge von Adi Hirschal, Otmar Binder, Peter Uray, Roberto Kalmar, Maria Bill, Krzysztof Dobrek und Michel Hornek, die vom Publikum begeistert aufgenommen wurden.
Ein gelungener Abend, meiner Meinung nach, der trotz aller Buntheit nicht von der Ernsthaftigkeit des Themas ablenkte und unterstrich, wie wichtig es ist, gerade in Wahlkampfzeiten, gegen Minderheitendiskriminierung und demagogische Hetze aufzustehen und sich darüber bewusst zu sein, wie wichtig die zivile Teilnahme, vor allem der Nachbarn, an politischen Ereignissen und Strömungen ist.
Ein großes DANKE an alle Beteiligten.
Ich hoffe, dass die Publikation des Sammelbandes nicht der Abschluss, sondern lediglich ein weiterer Schritt in einem Projekt ist, das noch lange nicht fertig ist.
Diese Woche geht's nun nach Frankfurt wo wir im Kontext der Buchmesse zwar sicherlich nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen, doch die Chance besteht, unser Thema weiter zu verbreiten. In Frankfurt präsentieren wir am 7.10. im Jüdischen Museum.

AlVince - 4. Okt, 10:23
So ist das zu wenig... ich wanke die ganze Zeit zwischen zufrieden sein hier in Wien, zwischen Zuversicht, dass alles recht gut läuft, doch dann ist es doch so, dass eine Kleinigkeit (die vielleicht gar nicht so klein ist) mir die Laune vollkommen zusammenhaut. Heute war es nicht die Fremdenpolizei, sondern die argentinische Botschaft, d.h. wieder einmal die Bürokratie. Konkret gesprochen ist es halt die Machtlosigkeit, die man verspürt, sobald man mit Behörden zu tun hat. Und dabei geht es nicht einmal darum, dass man etwas ganz Außergewöhnliches will oder, jemanden um Gefallen bittet. Nein, es geht um Dinge, die eigentlich ganz problemlos zugänglich sein sollten, wie das Aufenthaltsrecht (und Arbeitsrecht) für meine Frau hier in Österreich oder, das war heute das Thema, die Verlängerung meines Visums für Argentinien. Aber nein. Die Dame in der Botschaft war im Unterschied zu Frau Mayerhofer wenigstens freundlich, doch das Endprodukt war kaum unterschiedlich. Sie kennt sich a) selbst nicht aus b) wird sie sich erkundigen (wers glaubt...) c) ist es in jedem Fall so, dass wenn ich keinen argentinischen Personalausweis habe, ich das Visum nicht verlängern kann, sondern von Null an noch einmal beantragen muss (Kostenpunkt um die 500 Euro). Meinen argentinischen Personalausweis konnte ich allerdings trotz Insistieren, Kontakten, mehreren Versuchen nicht bekommen, da ich beim ersten versuch im Oktober vergangenen Jahres vor Leuten nicht einmal ins Gebäude gekommen bin, und mir später gesagt wurde, dass ich Ende Dezember wiederkommen könnte und einen “turno” für etwa ein Jahr später bekommen könnte. However, jetzt dürfte das schon einfacher sein, da sie das System umgestellt haben, jedoch bin ich halt momentan leider nicht in Argentinien. Wieder einmal Pech gehabt... Ich setz mich jetzt mit Caro hin und widme mich unserer Urlaubsplanung, vielleicht bringt mich das auf andere Gedanken.
AlVince - 10. Aug, 16:06
Erlebnisse mit Frau Maria Mühlbauer* (MA35 Fremdenpolizei)
Carolina (Argentinierin) und ich (Österreicher) sind seit etwas mehr als einem Jahr verheiratet. Genauer gesagt, wir haben am 15.5.2009 in einem Standesamt in Buenos Aires (Argentinien) geheiratet, nachdem ich die vorangegangenen 4 Jahre bereits in besagter Stadt gelebt hatte. Seither leben wir gemeinsam und waren keinen einzigen Tag getrennt. Dafür gibt es Zeugen und Beweise. Schon vor der Hochzeit habe ich mich bei der österreichischen Botschaft in Buenos Aires erkundigt, welche die erforderlichen Schritte seien, damit meine Frau sich legal in Österreich aufhalten bzw. vielleicht sogar arbeiten kann. Erstens hatten wir nämlich zu jenem Zeitpunkt bereits zwei Tickets nach Wien, da ich jedes Jahr während der Sommermonate in Wien (oder zumindest in Europa) bin. Für meine Frau war es ihr erster Besuch in Österreich. Zweitens will ich gar kein Geheimnis daraus machen, dass die Annahme, dass verheiratet zu sein eine gewisse Erleichterung im Umgang mit der Bürokratie bedeuten würde, eines der vielen Argumente war, die uns tatsächlich zu einer offiziellen Eheschließung veranlasste. Zumindest dachten wir das, aber Österreich überrascht einen immer wieder. Warum wir in Argentinien geheiratet haben? Weil ich vom Hörensagen wusste/dachte, dass Visa für Verheiratete immer vom Heimatland des/der AusländerIn beantragt werden müssten. Jedenfalls wurde ich von den durchaus hilfreichen und freundlichen Mitarbeitern in der österreichischen Botschaft in Buenos Aires eines besseren belehrt, dass es nämlich bei einer Beantragung von Buenos Aires aus lediglich länger dauern würde, als wenn wir in Wien direkt zur MA35 gehen würden. Gut.
Carolinas Geburtsurkunde wurde von der argentinischen Behörde beglaubigt, das Führungszeugnis wurde von der argentinischen Behörde beglaubigt, die Heiratsurkunde wurde von der argentinischen Behörde beglaubigt. Dann wurde das alles von einem beglaubigten Übersetzer beglaubigt ins Deutsche übersetzt (ich will gar nicht erst beginnen, darüber zu schreiben, wie viel eine Übersetzung für derartige Standard-Dokumente kostet) und dann (samt Übersetzung) mit der Den Haager Apostilie versehen, die diese Dokumente auch in Österreich gültig machen. Insgesamt kostete uns diese Vorphase an die 300,- Euro.
Ich selbst war in Österreich Student gewesen, war meist geringfügig in der Gastronomie beschäftigt und bin 2004 nach Argentinien gereist, um dort für die Universität Wien meine Diplomarbeit zu schreiben. Ich schloss das Studium der Philosophie udn Politikwissenschaft Anfang 2008 auch tatsächlich erfolgreich ab. Seit 2006 war ich in Argentinien (abgesehen von Übersetzungstätigkeiten, die mir den Unterhalt sicherten) damit beschäftigt, das Gedenkprojekt “Verlorene Nachbarschaft Buenos Aires - Wien 2008” (www.verlorene-nachbarschaft.at) zu initiieren und zu organisieren, welches mit Unterstützung des Außenministeriums, des Bundeskanzleramts, des Wissenschaftsministeriums und einigen anderen (österreichischen und argentinischen) Institutionen auch überaus erfolgreich von 26.10. bis 9.11.2008 unter prominenter österreichischer und argentinischer Beteiligung stattfand (Teilnehmer waren unter vielen anderen z.B. der Präsident des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs Clemens Jabloner, der damaliger Kulturstaatsekretär Argentiniens José Nun und der Präsident des argentinischen jüdischen Dachverbandes DAIA Aldo Donzis. Den Ehrenschutz für das Projekt übernahmen die argentinische Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner und der österreichische Bundespräsident Heinz Fischer. Abgesehen von den Dankesschreiben vieler Beteiligten gibt es bezüglich des Projektes einen persönlichen Brief der damaligen Botschafterin Österreichs Gudrun Graf an mich, in dem sie betont, wie professionell und erfolgreich dieses Projekt dank meines Einsatzes verwirklicht werden konnte. Doch das ist ein anderes Thema.).
Mit all dem war allerdings verbunden, dass ich keinerlei Einkommen in Österreich nachweisen konnte und somit auch seit meinem Studiumsabschluss keinerlei Sozialversicherung hatte. Dies wurde meiner Frau dann bei der MA35 in der Dresdner Straße in Wien zum Verhängnis, da uns von einer dortigen Juristin erklärt wurde, dass es sinnlos sei, eine Aufenthaltsbewilligung für Carolina zu beantragen, wenn ich kein Einkommen, keine Sozialversicherung und keine eigene Wohnung hätte (wir wohnten damals wie heute bei meinen Eltern im 8.Bezirk). Außerdem müssten wir uns während des Verfahrens in Österreich aufhalten, also hätten wir im Juni 2009 dann einen für Juli geplanten Urlaub absagen müssen.
Als ich dann Mitte August dennoch beantragen wollte war Carolinas Führungszeugnis bereits abgelaufen (3 Monate Gültigkeitsfrist) und somit waren sowohl Übersetzung als auch Apostilie verloren. Vielleicht meine Schuld, wenn ich die Schuld wirklich bei mir suchen will. Ich hätte ja anstatt auf Urlaub zu fahren auch eine Arbeit suchen können, damit ich, so wie es traditionell offenbar erwartet wird, meine nicht arbeitstätige Frau erhalte. Eine Alternative wäre gewesen, dass Carolina von einem Unternehmen einen das Unternehmen (auf ein Jahr, glaube ich mich zu erinnern) verpflichtenden Vorvertrag bekommt. Doch schon bei kurzem Nachdenken erkennt man, dass die Bezeichnung “Alternative” eine simple Chuzpe darstellt.
Dass ich selbst kein regelmäßiges Einkommen hatte sollte auch kein Problem darstellen, da ich einfach nur mit meinen Eltern, einen einklagbaren Unterhaltsvertrag abschließen müsste (Dieser müsste von einem Notar beglaubigt werden, etc... d.h. weitere erhebliche Kosten). Mein Vater hätte ein Nettoeinkommen von über Euro 3.000,- vorlegen müssen (ich kann mich an die exakte Zahl nicht erinnern).
Da ich zu jenem Zeitpunkt aber bereits wusste, dass wir uns ab Oktober für einen längeren Zeitraum in Argentinien aufhalten würden, da ich an einer Publikation über unser Projekt arbeitete (“Verlorene Nachbarschaft. Jüdische Emigration von der Donau an den Rio de la Plata”; Mandelbaum Verlag: Wien 2009), hätte a) die Zeit für eine Antragsbearbeitung nicht ausgereicht und b) akzeptierte ich das Bürokratie-Motto, dass nun einmal kein Aufenthaltstitel vergeben wird, wenn sich die jeweilige Person ohnehin nicht in Österreich aufhält.
Außerdem wurde mir bei der MA35 beteuert, dass ich das Visum doch von Argentinien aus beantragen solle, über die österreichische Botschaft. Also zurück zum Start.
In Buenos Aires angekommen war einer meiner ersten Wege also wieder zur österreichischen Botschaft, wo die Ratschläge der MA35 mit Kopfschütteln akzeptiert wurden. Jedoch gab es seit Neuem eine Regelung, wonach Anträge aus dem Ausland mit einer zusätzlichen Gebühr versehen werden und daher der Antrag erheblich teurer werden würde. Und da unser Rückflugticket nach Österreich erst für Mai 2010 datiert war, entschieden wir in Absprache mit der Botschaft, einmal abzuwarten und bei einem längeren Österreichaufenthalt einfach in Wien zu beantragen.
Kurz vor unserer Abreise im Mai 2010 nach Wien ließ sich Carolina erneut ein Führungszeugnis ausstellen, welcher wiederum beglaubigt und beglaubigt übersetzt wurde. Ich selbst fand in Wien ein weiteres Mal eine geringfügige Anstellung und konnte so bei der Wiener Gebietskrankenkassa meine Frau mitversichern. Bei der MA35 Fremdenpolizei wurden wir dann auf die für einen Antrag notwendigen Dokumente aufmerksam gemacht, sowie dass wir gar nicht in der Dresdner Straße, sondern bei der zuständigen Nebenstelle am Friedrich Schmidt Platz einreichen müssen.
Als die Versicherungsbestätigung und das Führungszeugnis fertig waren, gingen wir letztendlich am 22.6.2010, d.h. ca 6 Wochen nach unserer Ankunft mit den erforderlichen Dokumenten zu besagter Nebenstelle und begannen das Abenteuer der Beantragung.
Zur MA 35 ist zu sagen, dass es sich um einen unübersichtlichen Bereich in einem Amtsgebäude am Friedrich Schmidt-Platz handelt. Als Person mit deutscher Muttersprache kennt man sich (trotz akademischer Erfahrung mit Amtsgebäuden) dort nicht aus. Dankenswerterweise sah ein wartender türkischer Antragsteller, dass wir verloren herumirrten und erklärte mir die Logistik der Örtlichkeit. Nebenbei sei bemerkt, dass kein einziges Türschild, kein einziger Richtungspfeil (sofern vorhanden), noch sonst irgendein Hinweis auf einer anderen Sprache als auf deutsch vorhanden wäre. Österreichische Gastfreundlichkeit eben. Dass die verzweifelten Antragsteller sich dann mit Fragen auf jegliche Person stürzen, die aus einer sich öffnenden Tür kommt ist zwar verständlich, wird aber meist von den logischerweise entnervten Beamten mit Schroffheit und Präpotenz erwidert, wobei viele dem weit verbreiteten Irrtum unterliegen, dass man mit Menschen, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, einfach überdeutlich im Infinitiv schreien muss, damit sie einen verstehen. Aber so ist das eben. Es zwingt sie ja keiner, nach Österreich zu kommen.
Jedenfalls muss man dort dann eine Nummer ziehen, mit der man sich danach, sobald man aufgerufen wird anmelden kann. Die Dame bei der Anmeldung nahm dies zur Kenntnis und schickte uns einfach wieder in den Wartebereich. Dass wir darauf warten sollten, wieder aufgerufen zu werden, konnte ich nur raten. Letztendlich wurden wir jedoch aufgerufen und kamen zu einer jüngeren Dame, die den Antrag letztlich aufnahm. Ich wurde zum Zahlen geschickt. Als ich mit Carolina in das Zimmer eintrat, wo man reuemütig - selbstverständlich kommt der Beamtenapparat in der MA35 gänzlich ohne die Worte “Bitte” oder “Danke” aus - weitere 80 Euro zahlen darf, wurden wir laut angeschnauzt, dass schon hundert Mal gesagt wurde, dass nur die Antragstellerin alleine eintreten darf. Gut, also musste Carolina alleine zahlen. Zurück bei der Bearbeiterin wurde uns mitgeteilt, dass wir am 3.8 um 8 Uhr wiederkommen müssen und dann einige fehlende Dokumente vorweisen müssen, darunter ein Staatsbürgerschaftsnachweis meiner Person (obwohl sie bereits Kopien meines Reisepasses hatten, Kostenpunkt Euro 40,-) und einen Auszug aus dem Kreditschutzverband (obwohl sie bereits mein Bankkonto kannten; Kostenpunkt Euro 30,-). Außerdem muss ich einen Mietvertrag, einen Einkommensbeleg und eine Versicherungsbestätigung von mir vorlegen. Da wir bei meinen Eltern wohnen und der Mietvertrag auf den Namen meines Vaters läuft, wurde dieser kopiert und eine Mietrechtsvereinbarung mit meinem Vater gefertigt. Da ich als geringfügig Beschäftigter einen Monatslohn von 60 Euro habe, brachte ich die Bestätigung eines Kontos, auf dem von mir ersparte Euro 12.000,- enthalten sind.
Am 3.August, d.h. fast drei Monate nach unserer Ankunft, in denen Carolina nicht arbeiten bzw. Geld verdienen durfte, kehrten wir also in die MA35 mit allen erforderlichen Dokumenten und guter Hoffnung zurück. Diese Hoffnungen stellten sich als Naivitäten heraus als wir Frau Mühlbauer* kennenlernten, die offenbar leider ohne die gesellschaftlich üblichen Höflichkeiten geboren wurde und den Charme eines alten Krokodils uns gegenüber ausstrahlte. Sie kontrollierte weitaus wortlos die Dokumente und machte uns darauf aufmerksam, dass Carolina jetzt bald wieder ausreisen müsse, da ihr Touristenvisum nach 3 Monaten ablaufe. Ich sagte ihr, dass mir erklärt wurde, dass die Bearbeitung eines Antrags für ein Visum für Familienangehörige bis zu drei Monaten dauern würde und dass ich eigentlich in nächster Zeit ein Ergebnis erhofft hätte. Darauf erwiderte sie, dass sie nichts dafür könne, wenn wir seit unserer Ankunft 6 Wochen “verschlafen” bis zum Antrag (ich erinnere daran, dass wir auf die Übersetzung und Beglaubigung des Führungszeugnisses, sowie auf die Versicherungsbestätigung warten hatten müssen) und dann nicht alle erforderlichen Dokumente bringen. Ich entgegnete, dass wir sehr wohl alle erforderlichen Dokumente hatten, doch Dinge wie beispielsweise mein Staatsbürgerschaftsnachweis und mein Versicherungsnachweis nicht auf der Liste der erforderlichen Dokumente enthalten waren. Darauf entgegnete sie mit bereits erwähntem Charme: “Wenn sie nicht zusammenarbeiten wollen, dann wird nichts draus.”
Trotz ansteigender Frustration und unglaublichem Ärger, der sich langsam menschlich in mir aufstaute, blieb ich höflich und machte sie darauf aufmerksam, dass es ein bilaterales Abkommen zwischen Argentinien und Österreich gäbe, wonach die Angehörigen besagter Staaten 6 Monate im anderen Land bleiben dürfen. Das glaube sie nicht, sagte sie und wies mich darauf hin, dass Carolina Probleme mit der Fremdenpolizei bekommen könne. Ich entgegnete überrascht, dass wir doch gerade bei der Fremdenpolizei seien, worauf Frau Mühlbauer* kurz stotterte und letztlich meinte, dass sie “nur ausführende Organe seien”. Um einen Konflikt zu vermeiden fragte ich nicht weiter nach.
An einer Schilderung unserer Geschichte (nach Jahren der kulturellen Arbeit planen wir einen Neuanfang in Österreich, da das Projekt Verlorene Nachbarschaft nun zu Ende geht) war sie gänzlich uninteressiert und bezweifelte zurecht, dass man von 60 Euro im Monat (meine geringfügige Beschäftigung) leben könne. Darauf entgegnete ich, dass sich im September arbeitsmäßig bei mir einige Dinge entscheiden würden und dass es umso wichtiger wäre, dass Carolina endlich arbeiten könne. Nein, ich müsse sie erhalten, meinte Frau Mühlbauer*. Und auf den Hinweis, dass dies nicht einfach sei, wenn ein Teil der Ehepartner nicht arbeiten darf lächelte sie zynisch und sagte: “Bei der Heirat haben sie einander doch geschworen: in guten wie in schlechten Zeiten... na also!”
Solange man auf die Bürokratie angewiesen ist sind das wahrhaft “schlechte Zeiten”, doch das habe ich Frau Mühlbauer* nicht gesagt.
Insgesamt meinte sie dann, dass der Antrag nicht besonders gut aussieht, da die vorgewiesenen 12.000,- Euro zu wenig seien und ich entweder ein Nettogehalt von 1.200,- Euro so schnell wie möglich vorweisen solle, oder dass sich Caro einen Vorvertrag mit einem Arbeitgeber besorgen solle (über eine ähnliche Höhe). Sie fragte Caro, was sie denn gerne in Österreich arbeiten würde, worauf diese “Yogalehrerin” antwortete. Mit einem herablassenden Lächeln wurde dies dann von Frau Mühlbauer* im Antrag vermerkt. Ich entgegnete noch, dass 12.000,- Euro demnach ja 10 Monate gesicherter Unterhalt seien, doch die Dame meinte: “Ja und wie stellen sie sich dann die Zukunft vor? Für die Zukunft ist das zu wenig.” Ich meinte: “In Zukunft hoffe ich, dass Carolina auch arbeiten darf”. “Das wird sich zeigen”, meinte Frau Mühlbauer*.
“Wie geht’s denn jetzt weiter?” fragte ich sie. Wir sollen einmal ausreisen. Der Bescheid wird dann auf unsere Wohnadresse zugestellt, nachdem er von einer Juristin bearbeitet wurde. Sollte dieser negativ sein, bekommen wir in ohnehin in drei Wochen, meinte Frau Mühlbauer*.
Bleibt nur zu hoffen, dass die Dame in der juristischen Abteilung mehr Feingefühl hat als die Leiterin der Einwanderungsabteilung am Friedrich Schmidt Platz.
Carolina hat mir am Heimweg gesagt, “Reisen wir doch einfach nach Bratislava aus.” Seit ich meinen Eltern die Geschichte vor 2 Stunden erzählt habe, machen die sich Gedanken darüber, wie wir/ich die 1.200,- Euro netto monatlich auftreiben könne. Ich selbst bin einfach nur fassungslos darüber, mit welcher Präpotenz einem die Bürokratie des siebt-reichsten Landes der Welt begegnet, nachdem man hunderte Euro in Dokumente und Stempel und unzählbare Stunden in Wartezonen investiert hat. Ich begegne anderen Menschen immer mit Höflichkeit und in den meisten Fällen sogar mir Freundlichkeit, da ich z.B. Verständnis für Menschen aufbringe, die im beruflichen Leben täglich mit schwierigen Fällen von Einwanderern zu tun haben. Doch bei Carolina und mir handelt es sich keineswegs um einen schwierigen Fall. Ich bin ein klassisch links-bürgerlicher Josefstädter Akademiker, der nun mit seiner Frau, mit der er seit über einem Jahr verheiratet zusammenlebt nach Wien, seine Geburtsstadt, ziehen will um vielleicht eine Familie und ein Unternehmen zu gründen. Doch dass man fast 6 Jahre im Ausland zugebracht hat wird nicht gutgeheissen, sondern indirekt sogar bestraft, da ich über kein regelmäßiges Einkommen in Österreich verfüge. Eigentlich werde nicht ich, sondern meine Frau dafür bestraft, dass ich in Argentinien war. Wie wollen sie einfach nicht hier. Wir brauchen sie nicht. Wir sind lieber wir, denn Ausländer sind meist ohnehin sehr nahe an der Kriminalität. Und trotzdem hört man an allen Ecken und Enden in der Bevölkerung, dass bei uns die Türen und Tore für Ausländer zu weit offen stehen, dass “die Linken” die alle ins Land holen wollen.
Und ich frage mich: Wenn ein Mensch nach Österreich kommt (aus welchem Grund auch immer) und noch dazu das nicht unwahrscheinliche Pech hat dem gehaltsmäßigen Durchschnitt eines Landes anzugehören, das nicht eines der 6 Länder ist, die in der Rangliste vor Österreich stehen, was soll er dann diese Monate lang machen, die er tatenlos auf seinen Bescheid warten muss? Er muss im Land sein, doch er darf nicht arbeiten. Er muss einen Vorvertrag auftreiben, in dem die Firma ein Gehalt garantiert, ohne Erfahrung mit besagter Person zu haben. Familie in Österreich zu haben, reicht allein nicht mehr aus. 12.000 Euro am Konto reichen auch nicht aus. Und dann wundert man sich, dass Menschen in die Kriminalität (und sei es “nur” Schwarzarbeit) abdriften, wenn das wahre Verbrechen das ist, einem Menschen das Recht auf Arbeit zu verweigern. Und dann wundert man sich weiters, wie Ausländer-Kriminalitäts-Statistiken zustande kommen? Und dann wundern sich andere wiederum, wieso Hetzer wie HC Strache und Kollegen derartigen Erfolg haben?
Am liebsten würde ich meine Staatsbürgerschaft zurückgeben. Natürlich bin ich kultureller Teil der Nation Österreich (oder vielleicht eher Wiener) und werde es wahrscheinlich immer sein. Doch Teil des Staats zu sein erfüllt mich einmal mehr mit tiefer Scham und Ärger.
Und dann hat eine Innenministerin auch noch die Frechheit/Dummheit zu meinen, Arigona Zogaj solle doch heiraten, so könne sie problemlos wieder in Österreich leben.
Entweder Bosheit oder Dummheit, in jedem Fall Arschlöcher.
ALE
Anhang der ungefähren Amts-Kosten (gezahlt teilweise in argentinischen Pesos, hier in Euro übertragen) für die Dokumente von/für Carolina, die extra für den Antrag besorgt werden mussten (d.h. Kosten für Reisepass und andere Dokumente sind nicht enthalten):
Geburtsurkunde: Antrag 5,-; Apostilie Den Haag 8,-; Apostilie Botschaft 30,-; Übersetzung 70,- = INSGESAMT 113,-
Heiratsurkunde: Antrag 3,-; Apostilie Den Haag 8,-; Apostilie Botschaft 30,-; Übersetzung 70,- = INSGESAMT 111,-
Führungszeugnis: Antrag 10,-; Apostilie Den Haag 8,-; Apostilie Botschaft 30,-; Übersetzung 50,- = INSGESAMT 98,- (2 Mal)
Fotos und Kopien: 25,-
Antragsgebühr MA35 80,-
(Staatsbürgerschaftsnachweis Ale: 40,-)
(Auszug aus dem Kreditschutzverband Ale: 35,-)
INSGESAMT ergibt das Kosten über Euro 427,- für ihre Dokumente und (wenn man das zweite Führungszeugnis und meine Dokumente berücksichtigt) Euro 600,- reale Dokument-Kosten, dafür dass man sich anschnauzen lassen muss, betteln muss und der Antrag ohnehin wahrscheinlich abgelehnt wird, weil kein regelmäßiges Einkommen des Gatten vorhanden ist.
PS: Es geht bei der ganzen Sache weder um eine Staatsbürgerschaft, noch um ein permanentes Visum (bzw. Arbeitsgenehmigung). Es geht dabei um ein Visum, das auf EIN JAHR befristet ist und dann um noch ein Jahr erneuert werden kann. Nach dem zweiten Jahr wird es dann um (glaube ich) drei Jahre verlängert und danach bekommt man (sofern sich die Gesetze nicht weiter verschärfen, was sie momentan fast monatlich tun) eine permanente Aufenthaltserlaubnis. Voraussetzung ist natürlich, dass sich keine der Voraussetzungen der Ehepartner ändert und dass wir tatsächlich in Österreich leben.
*Name geändert
AlVince - 3. Aug, 13:34